Vor langer Zeit, im Erdalter des frühen Devon entstand ein einzelner Superkontinent, ringsherum mit Wasser umgeben. Dieser eine, gewaltige Kontinent nennt sich Pangäa. Zu dieser Zeit befand sich dort, wo heute Wernborn ist (und natürlich auch noch ein bischen rundherum) das Devonmeer.
Animation: Von Pangäa zu den heutigen Kontinenten
Wernborn lag damals rund 200 Meter unter dem Meeresspiegel – man spricht von einem typischen Schelfmeer. Es befand sich in einer riesigen, flachen Bucht des einzelnen Kontinents.
Im Unterdevon, also in der Zeit vor ca. 420 Millionen Jahren, gab es bereits allerlei Leben und Gewürm – aber noch keine Landpflanzen und kaum Muscheln. Die kamen erst später zur Blüte, wobei sie, zusammen mit den damals dominierenden Brachiopoden (zu deutsch Armfüsser), gemeinsame Vorfahren hatten. Armfüsser heissen die Brachiopoden übrigens deshalb, weil aus ihrem Körper ein elastischer Arm ragt, mit dem sie sich im Untergrund verankern können. Brachiopoden gibt es übrigens heute noch, sie leben bevorzugt in der Tiefsee der asiatischen Meere.
420 Mio Jahre alter Brachiopodenschill aus Wernborn
Damals jedoch waren sie die dominierende Tierart und unglaublich vielgestaltig. Hin und wieder ereilte eines der Lebewesen das Schicksal und sie wurden vom Schlamm oder Sand des Meeres umhüllt, nur um dann 420 Millionen Jahre (!) später von mir wieder ausgebuddelt zu werden.
Die Schicht des unteren Devons liegt eigentlich 20 Km unter der Erde, doch hat es vor einigen Millionen Jahren – als das Devonmeer schon längst ausgetrocknet war, eine Hebung des Untergrunds gegeben, die dann (auch) den Taunus entstehen liess.
Dort in der Mitte des ehemaligen Meeres, prallten Millionen Jahre später, im Zeitalter des Perms, zwei neu entstandene Kontinente (Gondwana und Laurussia) aufeinander. So wie es heute in der Alpen der Fall ist, wo die europäische Kontinentalplatte auf die afrikanische trifft und durch die ungeheure Kraft dieses Vorgangs, die Alpen aufgefaltet wurden und es bis heute noch werden.
Rest einer großen sehr zerquetschten Brachiopode
Keiner war dabei, aber man vermutet, dass der Taunus einst als Teil des gewaltigen variszischen Gebirges bis zu 4000 m Gipfelhöhe hatte. Die folgenden Jahrmillionen trugen dann die oberen, schwächeren Schichten ab, bis die Rümpfe des Gebirges – der heutige Taunus – übrig blieben. Der harte Quarzit widerstand der Erosion, dem Wind und Wetter am längsten. Aber auch er wird eines Tages abgetragen und der Taunus eingeebnet sein. Dann kann man endlich auch hier mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.
Die Brachiopoden sind daher häufige Fund eim Taunus und insbesondere bei Wernborn, wo die ältesten Schichten des Devons liegen.
Negativabdruck eines Seelilienstils aus dem Unterdevon. (FO Wernborn)
Es gab auch weitere Tierarten, erste primitive Panzerfische, mannsgroße Seeskorpione, Trilobiten und bizarre Seelilien. Tiere, die wie Pflanzen aussehen, aber fünf Arme haben und auch laufen können. Zumindest die Seelilien, die es heute noch gibt, können dies zum Erstaunen des Betrachters.
Durch die ungeheuren Kräfte, die im Inneren der Erde bei dem Prozess der Hebung wirkten, sind die meisten Fossilien aus Wernborn jedoch schief und verdrückt. Auch gibt es praktische keine großen, vollständig erhaltenen Fossilien.
Quallen gab es damals übrigens auch schon. Sie sind ca. 600 Millionen Jahre alt und werden uns noch lange überleben…
Das Schöne an den Fossilien aus dem Usatal sind jedoch der quarzige Kristallüberzug (wenn man Glück hat) der sie wie von Diamanten besetzt im Licht funkeln lässt. Und dann ist da noch die Erfurcht vor dem Überdauern der Zeit. Was wird von einem selbst noch in 420 Millionen Jahren zu finden sein?
Nur eins von 1 Millionen Individuen wird übrigens im Schnitt fossiliert und zu Stein.
Der erste Stein oben zeigt sogenannten Brachiopodenschill oder Brachiopodenpflaser – eine durch die Strömung zusammengetragene Ansammlung einer maritimen Lebensgemeinschaft. Es ist wie ein Foto, dass vor über 400 Millionen Jahren in Wernborn geschossen wurde – wären wir an diesem Tag in diesem jungen Weltmeer getaucht, hätte wir die Schalentiere noch mit eigenen Augen sehen können.
Brachiopoden unterscheiden sich übrigens von Muscheln dadurch, dass sie eine untere und eine (meist nicht symetrische) obere Klappe haben, während Muscheln eine linke und eine rechte (meist symetrische) Seite haben. Beide Arten leben also um 90° versetzt.
Wieder was gelernt für den nächsten Waldspaziergang: Es sind Brachiopoden – keine Muscheln da am Wegesrand!
Und.. in Wernborn liegt die Wiege des Lebens im Devon. Gut, nicht nur in Wernborn aber auch dort und in der Umgebung. Die flach ansteigende Küste, die idealen Lebensbedingungen im flachen Meer, schufen die Voraussetzungen für den Gang des Lebens ans Land, zunächst die Pflanzen, dann die Tiere. Die riesige Bucht war das quirligste Gebiet auf diesem Planeten. Wissenschaftler untersuchen heute noch mithilfe der Brachiopoden die Umweltveränderungen dieser Frühzeit des Lebens. Dies ist möglich, da die Tiere auf kleine Veränderungen der Umweltbedingungen wie Temperatur, Strömung, Nahrungsangebot usw sehr schnell durch Anpassung reagieren und dieser Prozess es uns ermöglicht, uns ein Bild von den damals herrschenden Verhältnissen zu schaffen. Die Brachiopode ist daher zwar unscheinbar, jedoch das Leitfossil für die gesamte Epoche. Sie sind überall verbreitet, sehr anpassungsfähig und reproduzieren sich dafür auch schnell genug.
Es ist daher kein Zufall, dass wir in Marokko ähnliche Funde vorliegen haben wie im Taunus. Die dort am häufigsten anzutreffenen Erdschichten, sind eben auch aus dem Devon, wenngleich zumeist einige Milliönchen Jahre jünger, allerdings oftmals aus besser überliefertem Material, so dass die Fossilienfauna wesentlich reichhaltiger ist.
Ein Rätsel ist es allerdings bis heute geblieben, warum sich hier im Hintertaunus, praktisch keine Trilobiten Fossilien finden. Vielleicht war die hier aufgeschlossene Meerestiefe nicht ihr bevorzugtes Gebiet. Vielleicht aber erkennen wir sie einfach nicht, da sie anders oder garnicht fossiliert wurden. Trilobiten hatten im Gegensatz zu z.B. Barchiopoden oder Muscheln, aber auch Seelilien einen chitinhaltigen Panzer, während die hier anzutreffendne Fossilien allesamt kalzitische Schalen – also aus Kalk- besaßen. Vielleicht hat das Chitin die Malträtur im Erdinneren nicht überstanden..
Übrigens haben Fossilien aus dem Taunus schon mehrfach den Eingang in Museen gefunden. Ein guter Kenner der Fazies ist Dr. Jansen Leiter vom Paläozoologischen Sektion vom Frankfurter Senckenberg Forschungsinstitut. Er hat in seinen Dokorantenjahren, zahllose Felsen um Wernborn und im Weiltal mürbe gekloppt und ihnen ihre Geheimnisse entlockt. Im Senckenbergmuseeum selbst, kann man zahlreiche Versteinerungen aus dieser Zeit und dieser Gegend bewundern. Links runter vom Saal mit den großen Dinosaurieerskeletten finden sich einige – vielleicht sogar Wernborner.. Nachsehen lohnt, man kann ja auch sonntags mal in Frankfurt statt in Wernborn spazieren gehen!
Wer sich für das Thema interessiert und im Taunus bleiben möchte, der statte doch mal der Kuhbachhöhle einen Besuch ab. Nicht vergessen, im Anschluß auch das dortige kleine Museeum zu besuchen. Dort gibt es zahlreiche Fossilien aus unserer Gegend zu besichtigen.
Und auch im Hessenpark bei Neu-Anspach gibt es in einem Haus eine ganze Ausstellung zur Geologie des Taunus und seine Fossilien.
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